Dieser Herbsttag

Dieser Herbsttag, an dem der Nebel breit wogend schwer und nur heute, dann nie mehr, sich Zeit ließ, so unendlich viel Zeit aufzusteigen, dass die Gedanken im Kopf dahin waberten und die ganze anstehende Arbeit des Tages vorweg schob, weg von mir, da nichts dringlicher zu sein schien, als das Schreiben, das alles zu verdrängen suchte, was man anderenfalls gleichsam täglich abspulte, mal mehr mal weniger geliebt, um noch etwas dieser Vernebelung nach zu hängen: jene Traumgespinste folge leisten zu dürfen, die schwebten und tanzten, alles umhüllend und alsbald wieder freigebend, dass einem wieder klar wurde, das man im Denken besser war, als in der Tat und das Zittern der Hände nicht mehr aufhören wird danach, das Wort und die Gespenster darin zuckten und zappelten, von jenen alltäglichen Strömungen durchzogen. Die sich einflochten und ihr Wesen trieben und umgarnten, alles was sie fassen konnten, solang man sie nur fest hielt. Und hätte ich tausend Hände, könnte ich sie allesamt annehmen, an mich drücken und aufsaugen. Hätte ich tausend Arme, ich könnte sie tragen mühelos jedes einzelne hoch halten, für wahr und sagen: Das ist alles!


Doch bleiben mir nur diese zwei und nur ein Bruchteil eines Momentes dieser irdenen Zeit, und nur das Eine oder Andere.


So nimmt man Abschied.


Und wie ein Tag hinübergriff in die kommende Nacht, schritten wir fort, weiter und weiter in ein Ungewisses, mit seiner Fehlbarkeit und seinem Bemühen, seiner Neugier immer weiter auf Eines, das gleich sich auftat, auf das noch nichts getan wurde, das angestimmte Kind, das noch nicht sprach. Wie gebannt man doch immer wieder lauert, welches Wort nur das erste wäre. Ob es ein Gestammel, ein kläglicher Versuch, oder eine klarer heller Ton dessen, was das Wort sich in seiner Tat zurechtrückte und wo es seinen Platz fand. Seine Berechtigung da zu sein. Durchdacht von Anfang bis Ende vollkommen.


Wie einem das Gegenüber immer so vollkommen scheint. Das Haar der Freundin einem lieber war, als das eigene, das hinabfloss über die Schulter, dem Rücken, bis an die Lenden und dort ruhte bis eine jähe Bewegung es in Wallung versetzte, eine Hand es durchfuhr.


Und sind nicht die Lippen anderer herrlicher geformt? Das andere Wort schöner und tiefer die Stimmen, das Gemurmel geheimnisvoller? Und doch hält einem nichts davon ab, sein Leben nachzutun und sei es nur ein magerer Versuch im Vergleich zu jener anderen Liebe. Verstell dich nicht und dein Haus mit sinnlosem Mobiliar, der du noch immer deiner Berufung Schritt um Schritt nachgingst, ohne zu wissen wohin es noch führen wird. Oder doch? Ahntest du es?


Aber immer unerschütterlich und hoch aufgerichtet wie eine Statuette.


Wie oft bangte ich um dich, da du wieder so nah an den Klippen deiner Leidenschaften standest und ich gebannt zitternd dich dort sah, schon hinab stürzend. Doch du mit einem so gewandten Fingerstreich alles drohende von dir abstreiftest, als hättest du dies schon hunderte Male getan, als wäre das eine deiner leichtesten Übungen.


Wie du mir jetzt lächelnd gegenüber sitzt in deiner Abendstunde und alsbald deinen Blick abwendest, wie der Tag, der beim Wenden des Kalenderblattes rasend schnell irgendwo in der Ferne wieder verschwand.


Ich klägliche Figur in diesem schnellen, strömenden Spiel, versucht, nur einen Augenblick davon zu erhaschen, an mich zu binden, dass dieser eine mir sei und doch das Nahende es schon wieder abstreift, wie ein abgetragenes Kleidungsstück, das zu eng geworden. Meine leere müde Hülle, die zurückgelassen, dem gierenden Gaffern machtlos ausgeliefert, darüber zu urteilen, was war. Die wie Stürme über alte knorrige Bäume herfallen, sie beuteln, biegen und zerzausen, dass alles Laub mit sich fortriss, in ihrem Tosen und Breschen!


Die vom Jammer durchzogenen, keifen und kreischen, bald wütend über sich selbst, schlugen die gewetzten Krallen in ihre dummen Fratzen, dass sie ihre spitzen Hauer fletschten und ihre Nüstern trieften - so grauslich das Getöse, dass sich das Bild mit Feuersbrunst in meine Schädeldecke zu brennen drohte zu einer andren Ewigkeit, dass ich mit einem lauten Knall die Tür ins Schloss warf.


Stille.


Die von der Liebe verschmäht, geschmähten, ohne Namen.


Nun traue ich mir kaum sie dir hin zuneigen, die des Augenblickes, und doch muss ich, da ich nicht fort komme von der Stelle, nicht von dem Blatt, das sich entfaltet zur Gänze.


Kommentare

Beliebte Posts